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Zu Celle im Lande Lüneburg verübte Eulenspiegel einen abenteuerlichen Schalksstreich. Darum verbot ihm der Herzog von Lüneburg das Land: wenn er darin gefunden wurde, sollte man ihn fangen und dann henken. Dennoch mied Eulenspiegel das Land nicht. Wenn ihn sein Weg dahin trug, so ritt oder ging er nichtsdestoweniger durch das Land, so oft er wollte.

Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel durch das Lüneburger Land ritt. Da begegnete ihm der Herzog. Als Eulenspiegel sah, daß es der Herzog war, dachte er: ist es der Herzog und wirst du flüchtig, so holen sie dich mit ihren Gäulen ein und stechen dich vom Pferd; der Herzog kommt dann zornerfüllt und läßt dich an einen Baum hängen. Er faßte einen kurzen Entschluß, sprang von seinem Pferd ab und schnitt ihm rasch den Bauch auf. Dann schüttete er das Eingeweide heraus und stellte sich in den Rumpf.

Als der Herzog mit seinen Reitern an die Stelle geritten kam, wo Eulenspiegel in seines Pferdes Bauch stand, sagten die Diener zu dem Herzog: »Sehet, Herr, hier steht Eulenspiegel in eines Pferdes Haut.« Da ritt der Fürst zu ihm und sprach:
»Eulenspiegel, bist du das? Was tust du in dem Aas hier? Weißt du nicht, daß ich dir mein Land verboten habe? Und wenn ich dich darin fände, so wollte ich dich an einen Baum hängen lassen?« Da sprach Eulenspiegel: »O gnädigster Herr und Fürst, ich hoffe, Ihr wollt mir das Leben schenken. Ich habe doch nichts so Übles getan, was des Henkens wert wäre!« Der Herzog sprach zu ihm: »Komm her zu mir und beweise mir doch deine Unschuld! Und was meinst du damit, daß du so in der Pferdehaut stehst?« Eulenspiegel kam hervor und antwortete: »Gnädigster und hochgeborener Fürst! Ich mache mir Sorge wegen Eurer Ungnade und fürchte mich gar sehr. Aber ich habe all mein Lebtag gehört, daß jeder Frieden haben soll in seinen vier Pfählen.«
Da fing der Herzog an zu lachen und sprach: »Willst du nun auch künftig meinem Lande fernbleiben?« Eulenspiegel antwortete:
»Gnädiger Herr, wie es Eure Fürstliche Gnaden will « Der Herzog ritt von dannen und sagte: »Bleib, wie du bist.«

Und Eulenspiegel sprang eilends aus dem toten Pferde und sprach zu ihm: »Hab Dank, mein liebes Pferd, du hast mir geholfen und mir mein Leben gerettet; und hast mir noch dazu wieder einen gnädigen Herren gemacht. Liege nun hier! Es ist besser, daß dich die Raben fressen, als daß sie mich gefressen hätten.« Und er lief zu Fuß davon.

Als nun Ulenspiegel in dem Dorff ein Meßner waz, da stund der Pfaff einsmals vor dem Altar und tet sich an und wolt Meß halten. Da stund Ulenspiegel hinder ihm und richtet ihm sein Hemd zurecht. Da ließ der Pfaff ein grossen Furtz, daz es uber die Kirchen erhalt. Da sprach Ulenspiegel: „Herr, wie dem, opffern Ihr das unserm Herren für Weirauch hie vor dem Altar?" Der Pfaff sprach: „Was fragst du darnach, ist doch die Kirche mein. Ich hab die Macht wol, das ich möcht mitten in die Kirchen scheissen." Ulenspiegel sprach: „Das gelt Euch und mir ein Thunne Bierß, ob Ihr das thun." „Ja", sprach er, „es gilt wol." Und die wetteten miteinander, und der Pfaff sprach: „Meinst du nit, das ich so frisch sei?" und korte sich umb und schis einen grossen Hauffen in die Kirchen und sprach: „Sich her, Custor, Ich hab die Thunn Bierß gewunnen." Ulenspiegel sprach: „Nein, Herr, wir wöllen vor messen, ob es mitten in der Kirchen sei." Also maß es Ulenspiegel, da felet es weit der Mitten in der Kirchen. Also gewann Ulenspiegel die Thunnen Bierß. Da ward die Kellerin aber zornig und sprach: „Ihr wöllen des schalkhafftigen Knechts nit müssig gon, biß das er Euch in alle Schand bringt."

Hermann Bote, Ein krzweiliges Buch von Till Eulenspiegel aus dem Lande Braunschweig

Ein kurzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel,
Hrsg. Wolfgang Lindow

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