EIN SEGEN FÜR DIE KUNST

Performance

> Weihnachtsausstellung Kunsthalle Bern 2001

Haus am Gern wurde von einer Jury zur traditionellen Weihnachtsausstellung der regionalen Künstler in der Kunsthalle Bern eingeladen. Haus am Gern bot allen beteiligten Künstlern an, ihr Werk von einem katholischen Priester segnen zu lassen. Nicht alle Künstler wünschten dies, zudem segnete Monseigneur Krystian Gawron nur gottgefällige Werke. Ein Gruppenfoto mit Haus am Gern, dem Direktor der Kunsthalle und dem Priester wies in der Ausstellung auf die Aktion hin.

Segen

Segen und Fluch gehören zusammen.

("Der Segen eines Vaters macht die Häuser der Kinder fest [oder: festigt die Wurzel], der Fluch einer Mutter aber reisst sie nieder bis zum Grunde [oder: reisst die junge Pflanze aus]", Sir 3,9)

ein Text von Franz Dodel


Segen (und Fluch) als Wort oder Geste sind substantiell wirksam und es ist deshalb nicht leicht, so etwas rückgängig zu machen (vgl. die irrtümliche Segnung Jakobs!). In Aeypten gab es einen Brauch, einen Fluch gegen Feinde auf ein Gefäss zu schreiben und dieses dann zu zertrümmern. Machnmal genügt schon der gesprochene Fluch, um jemandem Unglück zu sichern, wenn nicht gar der Tod eintritt. Gleiches gilt vom Segen, der immer als Vermittlung des Heils der Gottheit gesehen wird. Grundsätzlich soll also immer die Kraft der Transzendenz in den Bereich menschlicher Wirklilchkeit geholt werden. Dies bezieht sich z.B. im Alten Testament oft auf die Kraft der Familie, deshalb gibt der Vater diesen Segen immer weiter (wogegen die Mutter, zumindest beim obigen Spruch, mit Fluchen beschäftigt ist). Segen wird aber auch auf Gegenstände herabgefleht. (Vgl. die vielen diesbezüglichen Bräuche in der kath. Kirche, wobei jetzt nicht nur die Gottheit, sondern auch die Heiligen, zum Bsp. von Guadelupe, bemüht werden.)

Eine besondere Bewandtnis hat es m.E. mit der Segnung des Opfers. Das Opfer - so eine Theorie - dient immer dazu, die latente, nicht mehr einzudämmende Bedrohung durch die gegenseitige Gewalt einzudämmen. Die Rache und die damit verbundene Gewalt wird ritualisiert und auf ein bestimmtes Objekt gelenkt, das nun zerstört wird, um damit die Expansion des Rächens einzudämmen. D.h. in Bezug auf die Gottheit: die Gewalt des (zornigen) Gottes wird eingedämmt, indem man ihm zuvorkommt und aus eigenem Entschluss die zu erwartende
Gewalt eigenmächtig auf das Opfer lenkt. Die Segnung des Opfers (vgl. in der Eucharistie) könnte dann bedeuten: Das Opfer wird gekennzeichnet als zur Gottheit gehörig und stellvertretend der Gewalt Gottes überantwortet. - Soweit meine Spekulationen.

Auf die Segnung von Kunst bezogen, könnte das heissen:

– Das Werk muss gesegnet werden, bevor es den Göttern (= Archivaren) geopfert wird.

– Das Kunstwerk wird gesegnet, obwohl es sich doch selbst als Segen (oder Fluch) verstehen könnte. (Dann wird aus der Segnung des Priesters eine Verdoppelung die zur Differenzierung drängt.)

– Das ist eine ziemlich riskante Interpretation und ein banales Erklärungsmuster, das man mit Vorteil besser abweist: "Die Kunst ist ein Segen (dann aber auch ein Fluch) für die Menschheit."

- Eine Segnung kann auch bedeuten, dass die Kunst (nach Groys) immer auch einen Verdacht vermittelt und in dem Sinne sakral bleibt. Ein Kunstwerk in der Empfanghalle einer Bank, in einem Museum, erfüllt die Funktion der Ikone in der Kirche. Es vergegenwärtigt die Präsenz des absoluten Wertes. (Bloss halten sich die segnenden Priester als Kommissionsmitglieder im Hintergrund bedeckt.)
Andererseits könnte man durch die Segnung des Kunstwerks auch andeuten, dass man es damit gerade aus dem ökonomischen Kontext herausführen will. Man erhält mit ihm weit mehr als einen marktabhängigen Wert.

- Vielleicht macht man durch die Segnung auch einfach deutlich, dass es hier (in der Weihnachtsausstellung oder überhaupt) um etwas anderes überhaupt geht. Etwas, was vielleicht durch die Vereinnahmung der Vermarktung verlorenzugehen droht.

Das sind ziemlich wirre und wohl auch widersprüchliche Gedanken.
Letztlich ist diese Inszenierung an sich ein Werk, das in seiner Bildhaftigkeit und seiner uns noch wage bewussten kulturellen Verwurzelung gar keines Kommentars bedarf. Es kommt ein altes Bild (das noch das Ambiente der Magie und des Mythos mit sich trägt) zu neuen "Bildern".
Was hat das eine mit dem andern zu tun? Wo sind die Berührungspunkte? Auch wenn es keinen Sinn gibt, ist das Tun als ob es einen gäbe, äusserst sinnvoll.

Franz Dodel, 24 Nov 2001


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